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BCKategorie 21.09.2015 09:27:53 Uhr | städtisches Museum | Themenbaum

Ströbecker Schachtraditionen

[(c): Städtisches Museum Halberstadt]
[(c): Städtisches Museum Halberstadt]

Die Heimat des Schachspiels

Legenden erzählen, dass im 11. Jh., frühestens 1011, der Halberstädter Bischof einen vornehmen Kriegsgefangenen im Ströbecker Wartturm festsetzen ließ. Die Bauern, die ihn bewachten, behandelten ihn gut und er lehrte sie das Schachspiel. Seither wurde das Spiel von Generation zu Generation weitergegeben.

Die erste Erwähnung Ströbecks in Verbindung mit Schach ist datiert auf 1515. Die außergewöhnliche Spielweise der Ströbecker, die bis ins frühe 20. Jh. erhalten geblieben war, deutet daraufhin, dass das Schachspiel viel früher in das Schachdorf gekommen sein muss. Die Schachtradition in Ströbeck ist wahrscheinlich beinah genauso alt wie das Schachspiel in Europa.

Im ersten deutschsprachigen Schachbuch von 1616 widmete Herzog August d.J. zu Braunschweig-Lüneburg dem Ströbecker Schach ein ganzes Kapitel und das Dorf wurde in ganz Europa bekannt. 1913 beschäftigte sich H.J.R. Murray in seinem Buch "A History of Chess", welches auch "the bible of chess" genannt wird, in fünf Kapiteln mit Ströbeck und seiner Spielweise. In der internationalen Schachpresse finden sich seit dem 19. Jh. zahlreiche Artikel zu Ströbeck sowie Erlebnisberichte. Schachautoren, Journalisten, Literaten und Schachmeister kamen nach Ströbeck und berichteten darüber. Ab dem 20. Jh. kamen Filme, TV- und Radiodokumentationen dazu.

1883 wurde der » Ströbecker Schachverein gegründet und 1886 der erste Frauenschachverein Deutschlands. In dieser Zeit begannen die Ströbecker, sich der internationalen Spielweise zu öffnen. Damit wurden Schachkongresse und Turniere in Ströbeck möglich. Seit 1960 findet jährlich das internationale Mai-Schachturnier statt, welches gleichzeitig ein fröhliches Dorffest ist. Große Schachspieler besuchten das Dorf für unvergessene Simultanspiele und nationale wie internationale Turniere wurden in Ströbeck veranstaltet, wie das Deutsche Sparkassenturnier oder das Internationale Deutsche Jugendschachturnier des Deutschen Schachbundes.


Seit über 1000 Jahren pflegen die Ströbecker ihre Schachtradition in verschiedenster Weise und entwickelten vielfältige Bräuche um das Spiel.

Huldigungsbrauch

Bereits im Mittelalter hatte sich die Sitte herausgebildet, dem Landesherren zum Regierungsantritt ein silbernes Schachspiel zu überreichen. Dafür blieben die Privilegien der Ströbecker erhalten. Der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg bedankte sich 1651 auf seiner Inspektionsreise, indem er dem Dorf ein Schachbrett mit kunstvollen Einlegearbeiten und silbernen Figuren schenkte. Das Brett ist heute noch vorhanden.

Spiel mit Durchreisenden

Wenn ein Durchreisender in Ströbeck halt machte, wurde ihm eine Partie Schach gegen den Dorfschulzen angeboten. So auch dem Preußenkönig Friedrich II. (der Alte Fritz) 1773, der auf dem Wege nach Halberstadt nach Goslar im Schachdorf Ströbeck seine Pferde wechseln ließ. Es heißt, dass er zwei Partien gewann und über die Spielkunst der Ströbecker moserte. Da habe ihm der Dorfschulze geantwortet: Das erste Spiel habe er gewonnen, weil er sein König sei, das zweite weil er sein Gast sei und nun könne man richtig spielen. Die dritte Partie soll der König darauf verloren haben und wütend davongeritten sein.

Hochzeitsbrauch

Im 17. Jh. musste ein junger Mann vor der Hochzeit seine Braut mit einer Partie Schach gegen den Dorfschulzen erspielen. Verlor der Bräutigam, musste er ein Strafgeld in die Gemeindekasse zahlen. Seit 2007 lebt der Brauch wieder auf und künftige Ehemänner spielen erneut um ihre Braut.

Lebendschach

Das 1688 eingeführte Spiel mit lebenden Figuren in schönen Kostümen ist bis heute eine Attraktion bei Schach- und Heimatfesten. Seit Mitte des 20. Jh. hat das Lebendschachensemble Auftritte in ganz Deutschland und Europa und repräsentiert das Schachdorf Ströbeck.

Schulschach

1823 wurde Schach als Prüfungsfach in der Schule eingeführt. Auch heute ist es Pflichtfach von der 2. bis zur 4. Klasse in der Ströbecker Grundschule „Dr. Emanuel Lasker“. Zusätzlich wird eine Schach AG angeboten. Als weiteren Ansporn wird seit 1823 jährlich ein Wettstreit um ein spezielles Ströbecker Schachbrett und Figuren ausgetragen. Schachsymbole an den Häusern mit Jahreszahlen zeugen von dem Stolz der Gewinner. Weitere jährliche Traditionsspiele sind das „Emanuel-Lasker-Gedenkturnier“ in der Vorweihnachtszeit, an dem Schüler als Einzelkämpfer teilnehmen können, und das „Familienschach“ am 1. Advent, an dem Kinder und Jugendliche der 1. bis 10. Klasse mit einem Familienmitglied antreten.

Schachverein

Durch den 1883 gegründeten » Ströbecker Schachverein entstanden weitere Schachwettkämpfe und -turniere außerhalb der Schule. Sie sind bis heute ein fester Bestandteil des Dorflebens. Auch Schachkongresse fanden seit 1885 in Ströbeck statt. Das jährliche internationale Mai-Turnier des Vereins ist ebenfalls das Heimatfest des Dorfes. Dazu tritt das Lebendschachensemble auf und die Schüler bekommen feierlich die Gewinnerbretter und -figuren überreicht. Alle zwei Jahre im September findet die Deutsche Sparkassen-Schachmeisterschaft statt und 2011, 2013 und 2015 wurde das Internationale Deutsche Jugendschachturnier des Deutschen Schachbundes in Ströbeck ausgerichtet.

Schach Musical

Als Ströbeck 2006 Gastgeber für die » Kulturdörfer Europas war, wirkten über 100 Ströbecker und Freunde in dem zweistündigen Musical „Ströpker Zeitsprünge“ mit, in dem die Ströbecker Schachgeschichte erzählt wurde. Auch im Jubiläumsjahr “1000 Jahre Schach” 2011 beteiligten sich wieder unzählige Ströbecker an dem Musical „Guncellin 2011 – So könnte es gewesen sein“, das erneut die Schachgeschichte zum Gegenstand hatte. Für diese Theaterstücke beauftragte die Gemeinde den Autor Jürgen Westphal und den Komponisten Christoph Zwiener.

Schachmuseum (Momentan aufgrund eines Brandes geschlossen)

Im Schachmuseum wurden viele Zeugnisse der Ströbecker Schachtradition und Schachgeschichte ausgestellt, wie das Kurfürstenbrett von 1651, Kostüme des Lebendschachensembles oder der Brief des Preußenkönigs von 1861.Gezeigt wurden auch die internationale Schachgeschichte, unterschiedliche Schachspiele verschiedener Völker, Kunst und Schach, Schachvarianten zum Ausprobieren sowie jährlich wechselnde Sonderausstellungen.

© Simone Bliemeister E-Mail