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BCKategorie 21.09.2015 09:27:53 Uhr | städtisches Museum

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[(c): Städtisches Museum Halberstadt]

Vom Bistum zum Fürstentum

Mit dem Westfälischen Frieden von 1648 endete das dreißigjährige Morden in Deutschland. Zugleich war der Friede aber auch das Ende der achthundertjährigen Bistumsgeschichte Halberstadts. Das ehemalige Bistum wurde in ein weltliches Fürstentum umgewandelt und fiel als selbständige Verwaltungseinheit an das Kurfürstentum Brandenburg, als Entschädigung für das an Schweden abgetretene Vorpommern.

Am 3. April 1650 huldigten die Halberstädter Stände dem Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg als ihren neuen Landesherren, der sich nun zusätzlich auch ,,Fürst von Halberstadt" nennen durfte.

Das neue Fürstentum befand sich nach dreißig Kriegsjahren in einem sehr traurigen Zustand. Durch eine Vielzahl von effektiven Maßnahmen begann die Regierung des Großen Kurfürsten die allgemeinen Lebensverhältnisse allmählich wieder zu verbessern.


Befreiungskriege, Preußische Provinz und Kunst und Kultur um 18. Jahrhundert

Ein bewegtes Jahrzehnt erlebte die Stadt zwischen 1806 und 1815. Mit dem Krieg Preußens gegen das napoleonische Frankreich endete nicht nur eine relativ lange Friedensperiode, sondern ein ganzes Zeitalter. Nach der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 war die preußische Armee vollständig geschlagen und Halberstadt wurde schon am 18. Oktober von französischen Truppen besetzt.

Im Frieden von Tilsit musste Preußen 1807 einen großen Teil seines Staatsgebietes an den französischen Kaiser abtreten, darunter auch das Fürstentum Halberstadt. Aus diesem und einer Reihe anderer Gebiete bildete Napoleon das Königreich Westfalen. Zu dessen König setzte er seinen jüngsten Bruder Jerome ein. Halberstadt wurde Hauptstadt des so genannten Saaledepartements mit Sitz einer Präfektur.

Nach dem endgültigen Sieg über Napoleon kam Halberstadt wieder zu Preußen und wurde der neu gebildeten preußischen Provinz Sachsen als Kreishauptstadt eingegliedert. Die Gebiete des ehemaligen Fürstentums Halberstadt und des ehemaligen Herzogtums Magdeburg bildeten die Kernlande der neuen Provinz Sachsen.

Weiterhin zeigt dieser Ausstellungsabschnitt bedeutende Ereignisse und Persönlichkeiten des 18. Jahrhunderts. Nicht zuletzt lebte der ehemalige Hausherr in dieser Zeit. Ein Ausstellungsteil widmet sich Ernst Ludwig Christoph von Spiegel zum Diesenberg und seinen Errungenschaften. Nicht nur Domdechant sondern auch Aufklärer und Mäzen war er, ließ er doch die Spiegelsberge auf einst kahlen Hügeln am Rande der Stadt als englischen Landschaftspark aufforsten und öffnete diese Parkanlage allen Menschen.


Industrialisierung und Vereinsleben im 19. Jahrhundert

Noch um 1840 prägten insbesondere die Handwerker das städtische Leben. Zeitgleich begann, anfänglich mit dem Bau mehrerer Zuckerfabriken, die frühe Industrialisierung der Stadt.

Nur acht Jahre nach Eröffnung der ersten deutschen Eisenbahnlinie besaß auch Halberstadt den Eisenbahnanschluss. Die erste Bahnstrecke wurde im Juli 1843 zwischen Halberstadt und Magdeburg eröffnet. Der erste Bahnhof befand sich in der Schützenstraße. Schon im Jahre 1860 erwies sich dieser Bahnhof als zu klein, so erfolgte im August 1868 die Einweihung eines neuen Bahnhofs an heutiger Stelle. Gleichzeitig erfolgte der Bau einer eigenen Eisenbahnwerkstatt, den in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts verstaatlichten "Königlich Preußischen Hauptwerkstätten".

Besonders in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden eine große Anzahl neuer Industriebetriebe, die hauptsächlich landwirtschaftliche Güter des Umlandes verarbeiteten oder für das Umland notwendige Materialien lieferten.

Neben zahlreichen Zigarrenfabriken, die in den 40er Jahren aus Bremen nach Halberstadt verlegt wurden, existierten 1837 in Halberstadt drei Zuckerfabriken. Auch weiterverarbeitende Industriezweige, wie zum Beispiel Schokoladefabriken, fehlten in dieser Zeit in Halberstadt nicht. Von noch nachhaltiger Wirkung dieser Leckereien sind die Erzeugnisse, deren Rohstoffe zum Teil aus der Viehzucht des Umlandes gewonnen wurden - die Halberstädter Würstchen. Sie haben keinen geringen Teil dazu beigetragen, dass der Name ihres Herkunftsortes weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt geworden ist. 1925 verarbeitete die Firma wöchentlich 1500 Rinder und Schweine zu Fleischkonserven und Würstchen.

Auf dem Gebiet der Metallverarbeitung lag an vorderster Spitze die Firma Dehne. Bereits 1829 gründete sich in der Voigtei eine Huf - und Beschlagschmiede, die im Jahre 1856 in die Gründung der Firma Friedrich Dehne mündete. Eine Epoche machende Erfindung gelang 1876 mit einer Formsandmaschine, doch auch die Dampflokomobilen der Dehneschen Landmaschinenfabrik erlangten weltweite Bedeutung.

Immer noch waren es größtenteils Adlige, die die Geschicke der Stadt lenkten. Das Bürgertum, immer mehr erstarkend, kämpfte besonders in diesen Jahren um seine gleichberechtigte Anerkennung. Zur Durchsetzung seiner Interessen gründete es diverse Vereine. Der älteste und bekannteste dieser Organisationen in Halberstadt ist die 1805 gegründete "Harmoniegesellschaft". Im kulturellen Leben der Stadt schloss man an die Traditionen des 18. Jahrhunderts an. Der 1828 gegründete Halberstädter Kunstverein ist der älteste privatrechtlich organisierte Kunstverein in ganz Preußen. Die im zweijährigen Rhythmus organisierten Ausstellungen riefen auch beim damaligen König Friedrich Wilhelm IV. Interesse hervor. Verschiedene Male besuchte er die Kunstausstellungen. Einer der berühmtesten Halberstädter, der überregional bekannte und beachtete Maler Carl Georg Hasenpflug, gehörte, neben Caspar David Friedrich und Adrian Ludwig Richter, zu den mit Werken in den Expositionen vertretenen Künstlern. Für kleine Handwerker, Arbeiter und ihre Familien bedeutete diese Zeit oft den Kampf um die nackte Existenz.


Handwerker mit goldenen Händen - die Handschuhmacherwerkstatt

Die komplett erhaltene Handschuhmacherwerkstatt steht in den Ausstellungen als Beispiel für die Blüte des Handwerks der Stadt im 18. und 19. Jahrhundert.

1685 hob Ludwig XIV. mit dem Edikt von Nantes die Religionsfreiheit in Frankreich auf. Der Katholizismus wurde zur allgemein gültigen Staatsreligion erhoben. Die Verfolgung und Vertreibung Andersdenkender, besonders von Protestanten, begann. 500 - 600 000 Hugenotten, wie man sie in Deutschland nannte, flüchteten in protestantische Länder. Nur 7 Tage danach, am 29.10.1685, erließ Friedrich Wilhelm; der "Große Kurfürst", das Potsdamer Gnadenedikt. Er lud alle Hugenotten ein, sich in seinen Landen anzusiedeln. Reiseerleichterungen wurden gewährt, leerstehende Häuser wurden ihnen kostenfrei überlassen. Der Kurfürst sicherte den Hugenotten Steuerfreiheit zu. Den Aufbau von Manufakturen unterstütze die Regierung mit finanziellen Mitteln. 16.000 Hugenotten kamen.

Am Beginn der Umsiedlung diente Halberstadt als "Verteilungsstelle", da sie die erste größere Stadt im brandenburgischen Raum war. 1699 kamen Übersiedler aus der Schweiz, diese blieben in Halberstadt und bildeten den Ursprung der französischen Kolonie. Es kamen Handwerker mit "goldenen Händen". Eines der wichtigsten Gewerbe, das durch die Franzosen in Halberstadt ansässig wurde, war das Lederhandschuhgewerbe.
Alle Fertigkeiten, vom Gerben der Felle bis zum Endprodukt konnte ein französischer Handschuhmacher in seiner Person vereinen. Da die Franzosen keine Steuern bezahlen mussten, gelangten die Betriebe schnell zur Blüte.

Um 1800 betrug der Wert der Waren die im Handelsgewerbe und in der Weißgerberei hergestellt wurden fast ein Viertel der gesamten Warenerzeugnisse der Stadt. Bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts produzierten sie Handschuhe von hoher Qualität, die in der ganzen Welt ein gefragtes Markenprodukt darstellten.