Eine Stadt nach der Zerstörung. Großmodell. Die Innenstadt in den Jahren 1950 bis 1955
Halberstadt: Innenstadtmodell
Das Modell: Maßstab: 1:87 (Modellmaßstab H0) / Darstellungszeitraum: 8. April 1945 bis Sommer 1950 / Idee und Bau: Dieter Janietz / Größe: sieben Quadratmeter
In Vorbereitung auf den Modellbau wurden Fotos der unzerstörten und zerstörten Originalhäuser und die Bauakten des Historischen Stadtarchivs benutzt. Die Häuserteile wurden aus Hartschaumplatten verschiedener Stärken ausgeschnitten und verklebt. Nach Aufbringen der entsprechenden Oberflächenstruktur und verschiedener Fassadenteile erfolgte die "Alterung" der Häuser. Fahrzeuge und Figuren sind handelsübliche Ware, erhielten jedoch zum Teil einige Änderungen und Bemalungen.
Modellszenen
Das Modell zeigt nur eine kleine Fläche der zerstörten Stadt, rund um den Fischmarkt und den Holzmarkt. Neben der Beräumung von Straßen und Plätzen erfolgte im dargestellten Zeitabschnitt ebenfalls der Abriss zerstörter Gebäude. Vollständig erhaltene Ziegelsteine wurden von Mörtelresten befreit und dem Wiederaufbau zugeführt.
Auf Halden im Bereich Harsleber Straße und Franziskanerstraße sowie an der Schuhstraße erfolgte die Zwischenlagerung des teilzerstörten Ziegelmaterials.
Der Schutt wurde mit Pferdewagen oder der Trümmerbahn (aus der Malachithöhle stammend) zum Burchardianger und in die Nähe des Helgolandfelsens (zwischen den Spiegels- und Klusbergen) befördert.
Bedingt durch nicht vorhandenes Material und fehlende Facharbeiter begannen die Aufbauarbeiten nur zögerlich. Finanzielle und tatkräftige Hilfe der Mitglieder der Martinigemeinde ermöglichte den Beginn der Beseitigung der Kriegsschäden an der Kirche. Der Dachstuhl über den Kirchenschiffen wurde im Sommer 1950 gerichtet und anschließend konnte das Dach neu gedeckt werden.
Auch im Dom und der Liebfrauenkirche begannen unter der Leitung des Architekten Walter Bolze die Aufräumarbeiten und die teils schwierige Beseitigung der Schäden. Die Halberstädter Straßenbahn nahm ab 18. Mai 1945 wieder schrittweise den Betrieb auf. Bis August 1946 waren alle Strecken, bis auf die Kluslinie, wieder in Betrieb genommen.
Am Fischmarkt eröffneten die ersten Geschäfte in Ruinen und Behelfsbauten. Das HO - Warenhaus entstand aus der Ruine des Hauses Breiter Weg 37, bekannt unter dem Namen "Café Westkamp". Am 3. Mai 1950 erfolgte die Eröffnung. Das angrenzende Haus, Breiter Weg 35/36 (Schuhhaus Tack), wurde anschließend ebenfalls zum Warenhaus ausgebaut.
An der Schuhstraße entstand das Betonwerk, welches aus zermahlenden Trümmerziegeln, Wasser und Zement Hohlblocksteine für den Wohnungsbau herstellte. Der Wohnungsbau begann an Einzelstandorten, später entstanden Wohnblöcke in der Quedlinburger Straße, im Westendorf und in der Schmiedestraße.
Um die Versorgung mit Wasser, Strom und Gas wieder zu ermöglichen, musste das benötigte Material aus der Malachithöhle (zum ehemaligen Konzentrationslager Langenstein Zwieberge gehörend) und einer Höhle bei Blankenburg geholt werden.
Auf dem Modell sind verschiedene Begebenheiten dargestellt, wie sie in dieser schweren Zeit durchaus möglich waren:
o Schutz des Rathauses mit einer provisorischen Dachvorrichtung zum Schutz der Telefonzentrale in den Kellerräumen
o Schwarzmarktgeschäfte (vorderer Bereich, mittig)
o Speisung von Helfern bei der Enttrümmerung, Ausgabe einer warmen fleischhaltigen Suppe
o Dr. Gieglers Patientenbetreuung, bis hin nach Langenstein und in die Spiegelsberge mit Kutsche und Pferd
o Bergung der Reste des Holzpflasters zwischen Rathaus und Kommisse zu Heizzwecken
o Nutzung der Trümmerflächen als Weideland für Schafe
o Bergung von privaten Habseligkeiten aus den Trümmermassen
Zur Zerstörung Halberstadts
"Der Luftkrieg und die Bombardierung von "feindlichen" Städten und Industrieanlagen begannen 1940. So spürten auch Halberstadts Bürger die furchtbaren Luftangriffe. Die Stadt erlebte 10 Luftangriffe. Die ersten hatten die Junkers - Flugzeugwerke, den Flugplatz und den Bahnhof als Ziel. Am 7. April 1945 griffen Jagdbomber auf den Hauptbahnhof einen abgestellten Munitionszug an. Die Seeminen, mit denen der Zug beladen war, explodierten. Der Bahnhof mit Gebäuden und Gleisanlagen wurde zerstört, der Zugverkehr musste komplett eingestellt werden. Luftdruckschäden gab es in weiten Teilen des Stadtgebietes. Nur einen Tag später, am 8. April 1945, erfolgte der zehnte und schwerste Luftangriff auf Halberstadt. Von verschiedenen Flugplätzen in Mittelengland starteten gegen 9.00 Uhr, 215 amerikanische Fernbomber des Typs B - 17, die durch "Mustang" - Langstreckenjäger begleitet wurden. Um 11.10 Uhr wurde "Luftalarm" ausgelöst. Schon 11.25 Uhr näherten sich die ersten Bomber aus südwestlicher Richtung. Nach dem Setzen von Rauchzeichen fielen die ersten Bomben auf das Stadtzentrum. Die nächsten Wellen warfen in kurzen Zeitabständen ihre Bomben auf das Stadtzentrum. Die Flieger flogen fächerförmig über die Stadt, Drehpunkt war wahrscheinlich das Lyzeum und der Käthe-Kollwitz - Platz. Durch dieses Verfahren wollte man eine große Trefferquote und höchstmögliche Vernichtung erreichen. Die letzten Bomben wurden 11.45 Uhr abgeworfen. Eine Entwarnung konnte nicht mehr erfolgen, da das Warnsystem komplett zerstört war. 504 Tonnen Sprengbomben und 50 Tonnen Brandbomben wurden auf die Stadt abgeworfen. Die Folgen waren erschütternd. Auf einer Fläche von 1,1 km² lagen ca. 1,5 Millionen m³ Schutt und Trümmer. Ungefähr 2000 Tote waren bei den 10 Luftangriffen zu beklagen und etwa 25.000 Halberstädter waren obdachlos geworden. Die Versorgung mit Gas, Wasser und Strom musste eingestellt werden, da die Leitungsnetze zerstört waren. Eisenbahnen und Straßenbahnen konnten nicht mehr fahren, Fahrzeuge, Schienen und Oberleitungen waren beschädigt. Die Stadt war in eine riesige Rauchwolke gehüllt, die Brände wüteten drei Tage. Am 11. April 1945 wurde die Stadt durch amerikanische Truppen besetzt, für die Halberstädter war der Krieg "offiziell" beendet."
aus " Halberstadt brennt" von Werner Hartmann, Halberstadt 1990