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BCKategorie 21.09.2015 09:27:53 Uhr | Pressemitteilungneu | Pressemeldungen

Gravelotte empfängt Halberstädter im Sonnenschein

Musee de Guerre in Gravelotte

Städtisches Museum und Geschichtsverein Halberstadt lösen ein altes Versprechen aus dem Jahr 1995 ein. Organisation einer weiteren Busfahrt nach Gravelotte, zum damals schon geplanten neuen Museum. Es wurde, wie berichtet, erst im April 2014 eröffnet.


Zum Vorhaben von 1995 gehörte auch ein versprochener Besuch in der alten Festungsstadt Verdun und der umgebenden Gedenkorte. Damals konnte niemand ahnen, dass die Reise 100 Jahre nach Kriegbeginn, vom 4. bis 7. September 2014 stattfinden sollte.

Der moderne, beinahe futuristisch wirkende, mit dunkelbraunem Blech verkleidete Museumsneubau in Gravelotte lag am Morgen des 5. September im Sonnenschein.

Das Museum zum Deutsch-Französischen Krieg von 1870 und der Annexionszeit, wie es sich offiziell nennt, öffnet eigentlich erst um 10 Uhr, die Reisegruppe aus Halberstadt war für 9:30 Uhr angekündigt und wurde vom Chef des Hauses, Eric Necker, freundlich empfangen.

In zwei Gruppen geteilt, gab es Führungen durch die Exposition, die neben den Beständen des alten Gravelotter Museums und Exponaten aus Mars la Tour mit zahlreichen Leihgaben aus großen französischen und deutschen Museen aufwartet. Auch Stücke aus dem Städtischen Museum Halberstadt sind dort zu sehen.

Das Museum in Gravelotte ist das einzige, die sich ausschließlich mit dem Krieg von 1870/71 beschäftigt und steht damit im Rang eines französischen Nationalmuseums.

Die 45 Besucher aus Halberstadt, sehr interessiert und als Mitglieder des Geschichtsvereins mit einigen Vorkenntnissen ausgestattet, würdigten die Präsentation als ausgesprochen ausgewogen, sachlich und modern. Ein Resümee, das auch schon vielfach in der Presse gezogen wurde.

Als besonders beeindruckend wurden die zahlreichen Gemälde empfunden, die dem Betrachter die Grausamkeit des Krieges bis ins Detail zeigen.

Das ist freilich die Sichtweise aus heutiger Zeit. Besonders auf deutscher Seite entstanden bis kurz nach der Jahrhundertwende zahlreiche Schlachtenbilder, die den Heroismus der 1870/71 siegreich kämpfenden Truppen, ja den „schönen Tod fürs Vaterland“ verherrlichten. Die französische Seite war aus begreiflichen Gründen deutlich zurückhaltender, betrieb aber ebenfalls Propaganda mit Darstellungen, die sich gegen den deutschen Feind richteten.

Die Gliederung der Präsentation unterscheidet zwischen der Zeit, in der Elsass-Lothringen zu Frankreich gehörte und der Zeit, in der die Gebiete im Ergebnis des Krieges zum Reichsland wurden. Das mit der Erhebung des preußischen Königs Wilhelm I. zum Kaiser entstandene Deutsche Reich war bundesstaatlich organisiert. Im Gegensatz dazu unterstanden die gewonnenen Territorien dem Kaiser direkt. Besonders der Enkel Wilhelm I., Wilhelm II, hatte eine Faible für die neuen Reichsteile. Er erwarb Grundbesitz und hielt sich dort oft auf. Seiner Vorliebe für Metz verdankt die Stadt einige prägende Bauwerke. Dazu gehören auch Erweiterungen der Kathedrale, die als der schönste Kirchenbau in Frankreich gilt.

Zum Abschluss des Besuchs in Gravelotte fuhr der Bus in die Feldflur hinter dem Nachbarort Rezonville. Ziel war die heute noch erkennbare alte Römerstraße, an der sich französische Artillerie aufgestellt hatte und den Vormarsch der Truppen aus den deutschen Ländern zunächst stoppte. Hier erinnert neben einigen anderen Gedenksteinen ein Obelisk an den „Todesritt der Halberstädter Kürassiere“ am 16. August 1870. Es war wohl der letzte wirklich große Einsatz der Kavallerie, der mit dem Tod hunderter Reiter endete, aber den damals gewünschten militärischen Erfolg brachte.

Auch am 16. August 1870 lag die Gegend im warmen Schein der Sommersonne.

Auf dem Programm stand für den 6. September eine Fahrt nach Verdun. Auch ein Kriegsschauplatz, allerdings des Ersten Weltkriegs. Ausgesprochen sachkundig begleitet wurde die Reisegruppe von Pierre Lenhard, einem ehemaligen Gendarmerieoffizier, der einige Berufsjahre in Deutschland verbrachte. Der Rundgang durch die mehrfach zerstörte Festungsstadt und die Gedenkorte der nahen Umgebung dauerte von 10 bis 18 Uhr.

Verdun hatte zeitweise über 50.000 Einwohner. Heute sind es noch 20.000. Bis vor gut 15 Jahren zählte die in aller Welt bekannte Stadt noch bis zu einer Million Besucher. Die großen Hotels sind alle geschlossen. Die Besucherzahl bewegt sich, durch das Gedenken an den Kriegsbeginn vor 100 Jahren befördert, nun wieder bei über 300.000 jährlich.

Es ist ein beeindruckendes Bild, das weithin weiß leuchtende Beinhaus, wenige Kilometer außerhalb der Stadt auf dem Bergrücken des Thiaumont (Foto 5, Gedenkort Beinhaus), in dessen Tonnengewölben die Überreste von 130.000 nicht identifizierten französischen und deuten Soldaten aufbewahrt werden.

Die Kriegshandlungen, insbesondere der bis dahin nicht gekannte massive Einsatz von Artillerie und von Maschinengewehren in den Jahren des Stellungskrieges ließ eine Bergung von Verwundeten und Toten kaum zu. Noch heute, so Lenhard, vermutet man auf den ehemaligen Schlachtfeldern, den inzwischen wieder bewaldeten Hügeln, noch Überreste von über 100.000 nicht geborgenen Soldaten aller beteiligten Seiten.

Das Beinhaus entstand auf Initiative des Bischofs von Verdun, Ginistg, der den Gefallenen eine würdige Ruhestätte geben wollte. Der Grundstein ist 1920 durch Marschall Pétain gelegt worden. Das ausschließlich aus Spenden finanzierte Totenhaus ist 1932 eingeweiht worden. Aus Deutschland beteiligte sich nur das Saarland, das allerdings zu jener Zeit französisch besetzt war.

Neben dem riesigen Friedhof vor dem Beinhaus, dem Ossuaire de Douamont, mit seinen langen Reihen weißer Kreuze für christlichen und mit abgerundeten Grabsteine für muslimische Kriegstote, liegt eine Gedenkstätte für gefallene Juden. Sie ist auch während der Zeit der Besetzung Frankreichs während des Zweiten Weltkriegs von deutscher Seite nicht zerstört worden. Ein Novum, so Lenhard. Man vermutet Einwände aus dem Offizierkorps. Von den, die die Hölle von Verdun miterlebt hatten und so dokumentieren wollten, die Leiden waren hier für alle gleich.

Nach dem Besuch der Festung Douaumont führte Pierre Lenhard die Gruppe zum Dorf Fleury. Eigentlich nur noch ein, durch Artilleriebeschuss mehrfach umgepflügter Ort im wieder gewachsenen Wald, wo das Dorf einmal lag. Es ist, wie zwei weitere ehemalige Dörfer, heute eine Erinnerungsstätte. Im letzten Jahr, so Lenhard, sind hier wieder Skelettreste gefunden worden, die dann ins Beinhaus gebracht wurden. An der Fundstelle ist eine Holzskulptur, die einen französischen Soldaten zeigt, aus einem Baum geschnitzt worden

Außerordentlich beeindruckend, doch leider haben wir offensichtlich noch nicht genügend aus unserer Geschichte, die über die Jahrhunderte so viel Leid, Elend und Unglück gebracht hat, gelernt - wenn ich an die Balkankriege, den Nahen Osten oder jetzt an die Ukraine denke. Umso wichtiger sind die Erinnerungen und Erinnerungsstätten wie in Gravelotte oder hier um Verdun, so ein Reiseteilnehmer aus Halberstadt.

Eric Necker, der Chef des Museums in Gravelotte, kündigte an, im kommenden Jahr mit Freunden seines Museums nach Halberstadt kommen zu wollen. Das wäre auch nicht das erste Mal

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